Wenn vom Lebensstandard in Frankreich und Deutschland die Rede ist, hört man häufig: „In Deutschland verdient man besser.“ Doch um beide Länder wirklich miteinander zu vergleichen, müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden. Zunächst ist wichtig zu wissen, dass in Frankreich viele arbeitsrechtliche Regelungen durch branchenspezifische Tarifverträge bestimmt werden. In Deutschland hingegen werden die Arbeitsbedingungen oft direkt auf Unternehmensebene verhandelt – ein grundlegender struktureller Unterschied.
Auch die gesetzlich festgelegte Arbeitszeit stellt einen bedeutenden Unterschied dar. In Frankreich gilt eine Vollzeitstelle mit 35 Wochenstunden, während in Deutschland im Durchschnitt 38,5 Stunden gearbeitet wird. Beim Urlaub garantiert das französische Arbeitsrecht mindestens 25 Arbeitstage im Jahr. In Deutschland liegt der gesetzliche Mindestanspruch zwar bei 20 Tagen, doch in der Praxis erhalten viele Beschäftigte je nach betrieblichen Vereinbarungen 25 bis 30 Tage. Diese Unterschiede beeinflussen selbstverständlich auch Gehaltsvergleiche und die reale Kaufkraft.
- Durchschnittsgehälter: Wo stehen wir?
Im Jahr 2025 liegt das durchschnittliche Bruttogehalt im französischen Privatsektor bei 3.613 Euro pro Monat, also 43.356 Euro im Jahr. In Deutschland beträgt das durchschnittliche Jahreseinkommen etwa 50.200 Euro – mit deutlichen Unterschieden je nach Region, Branche und Berufserfahrung.
Auch beim Nettogehalt liegt Deutschland vorne. Im Schnitt verdient ein Arbeitnehmer dort rund 3.000 Euro netto pro Monat, in Frankreich sind es etwa 2.735 Euro. Dies ist teilweise auf geringere Sozialabgaben in Deutschland und auf Unterschiede im Steuersystem zurückzuführen. Lohnungleichheiten zwischen Männern und Frauen bestehen in beiden Ländern, obwohl sich die Situation verbessert hat. In Frankreich sank der Gehaltsunterschied im Privatsektor von 22 % im Jahr 1995 auf 14 % im Jahr 2023 – eine positive, aber noch unzureichende Entwicklung. Bei Führungskräften liegt die Differenz laut Apec bei 7 % für gleichwertige Positionen, steigt aber nach dem 55. Lebensjahr auf 11 %.
In Deutschland ist die Lage noch kritischer: Der durchschnittliche Gender Pay Gap liegt bei rund 18 % über alle Berufsgruppen hinweg.
Auch zwischen einzelnen Branchen gibt es große Unterschiede. Besonders in der Industrie hat Deutschland einen Vorsprung. Ingenieurinnen und Ingenieure sowie technische Fachkräfte verdienen dort häufig mehrere Tausend Euro mehr im Jahr als in Frankreich. - Gehaltsentwicklung: Welche Trends lassen sich erkennen?
In Frankreich sind die Löhne zwischen Ende 2023 und Anfang 2025 nur moderat gestiegen – im Durchschnitt um etwa 2,1 %, also kaum über der Inflationsrate. Diese langsame Entwicklung erklärt sich durch ein unsicheres wirtschaftliches Umfeld und weniger dynamische Tarifverhandlungen in manchen Branchen.
In Deutschland fiel der Anstieg deutlicher aus: Die Löhne stiegen im selben Zeitraum um 5,1 %. Gründe dafür sind unter anderem der Fachkräftemangel, starke Branchentarifverträge und steigender Druck in strategisch wichtigen Bereichen.
Auch beim Mindestlohn liegt Deutschland leicht vorn. Seit dem 1. Januar 2025 beträgt er 12,82 Euro brutto pro Stunde – das entspricht etwa 2.140 Euro brutto im Monat bei einer 38,5-Stunden-Woche. In Frankreich liegt der SMIC (Mindestlohn) bei 11,88 Euro brutto pro Stunde, was rund 1.802 Euro brutto pro Monat bei einer 35-Stunden-Woche ergibt. - Sozialabgaben und Arbeitskosten
Die Sozialabgaben spielen eine zentrale Rolle bei der Betrachtung von Brutto- und Nettogehältern. In Deutschland werden sie in der Regel gleichmäßig zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt – durchschnittlich je etwa 20 % des Bruttogehalts. In Frankreich hingegen trägt der Arbeitnehmer rund 20 bis 22 %, während der Arbeitgeber bei höheren Gehältern bis zu 45 % an Abgaben leisten muss.
Auch die Einkommensteuer beeinflusst das verfügbare Einkommen. Das deutsche Steuersystem ist progressiver und belastet insbesondere mittlere und höhere Einkommen stärker. Hinzu kommt, dass ab einer bestimmten Einkommensgrenze eine private Krankenversicherung notwendig sein kann – oft teurer als das französische System aus Sozialversicherung und Zusatzversicherung.
Für Unternehmen ist der Unterschied bei den Arbeitgeberabgaben entscheidend: Bei gleichem Bruttogehalt ist es in Frankreich deutlich teurer, eine Arbeitskraft zu beschäftigen. Das schränkt den Spielraum für Gehaltserhöhungen ein, während deutsche Unternehmen mehr Flexibilität haben. - Kaufkraft
In Frankreich unterscheiden sich die Lebenshaltungskosten je nach Region stark. Wohnen ist insbesondere in Großstädten wie Paris sehr teuer, während es in mittelgroßen Städten deutlich günstiger ist.
In Deutschland sind die Mieten im Durchschnitt etwas niedriger, vor allem in den östlichen Bundesländern. In Städten wie München oder Frankfurt sind sie jedoch sehr hoch.
Was den Alltag betrifft, sind die Preise in beiden Ländern insgesamt vergleichbar. Die Lebenshaltungskosten in Deutschland sind nur geringfügig höher als in Frankreich.
Fazit
In Deutschland sind Brutto- und Nettogehälter im Durchschnitt höher und steigen schneller – das führt zu einer etwas stärkeren Kaufkraft.
In Frankreich sind die Löhne zwar geringer, doch die gesetzliche Arbeitszeit ist kürzer und der Urlaubsanspruch höher.
In beiden Ländern bestehen nach wie vor geschlechtsspezifische Lohnunterschiede.